Ein Ort, der Goethe gefallen hätte

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des P-Seminars Deutsch „Journalistische Darstellungsformen“ und wurde als Artikel zur Veröffentlichung in der FAZ eingesandt:

„Franken ist ein gesegnetes Land“, schreibt Johann Wolfgang Goethe im ersten Akt seines Werkes „Götz von Berlichingen“. Diese Aussage war nicht von ungefähr, so besuchte er Franken immer wieder. Neben Land und Leuten begeisterte ihn vor allem der Frankenwein. Seinen Lieblingswein bezog der Dichterfürst sogar von der Weinlage des „Würzburger Steins“.

Eingebettet zwischen Weinbergen und Main, nur 10 Minuten Autofahrt von Würzburg entfernt, liegt Randersacker, ein Ort, der dem leidenschaftlichen Frankenwein-Trinker sicherlich gefallen hätte.

„Randersacker ist eine Weinbaugemeinde mit Historie und Tradition“, sagte Christiane Lörner über ihren Heimatort. Die 45-Jährige leitet die Touristinformation Randersacker. Für Touristen bietet sie Führungen durch den Ort an und informiert dabei unter anderem über die Historie des Ortes und des Weinbaus.

In einer der ältesten deutschsprachigen Urkunden über eine Würzburger Gemarkungsbegehung im Jahr 779 mit einem Sendboten Karls des Großen ist von „Fredthantes wingarton“ die Rede, der sich auf der heutigen Gemarkung des Weinortes befindet. Randersacker kann also auf eine mehr als 1200-jährige Weinbaugeschichte zurückblicken. Das Dokument beweist auch, dass die erste deutschsprachige Erwähnung eines Weingartens den Randersackerer „Wengert“ betrifft. Zudem befindet sich die älteste Zehnttafel Weinfrankens am Torhaus des örtlichen Zehnthofs. Der Text, der von den Traubenernten in den Jahren 1332 und 1333 berichtet, gibt als erster in Franken Auskunft über die Erträge verschiedener Weinlesen.

Von den ehemals 2000 verschiedenen Flurnamen und 7500 Rebgrundstücken sind 7 Weinlagen übriggeblieben: der „Teufelskeller“, die Paradelage „Pfülben“, „Ewig Leben“, „Lämmerberg“, „Marsberg“, der „Sonnenstuhl“ und der „Dabug“. Die bekannteste Weinlage Randersackers ist der Pfülben. Als eine der renommiertesten Weinlagen Frankens erwähnten ihn die Gebrüder Grimm im 13. Band ihres „Deutschen Wörterbuches.

Mit Sebastian Englerth (1804-1880) kommt ein echter Weinbaupionier aus Randersacker. Der ehemalige Ortsvorsteher ist der Begründer des modernen Weinbaus in Franken, Züchter der Rebsorte Bukettrebe und der Gründer der ersten Weinbauschule Frankens. Diese Rebsorte ist bis heute im „Altfränkischen Wengert“ zu finden, einem Weinberg, der bis heute wie vor 100 Jahren bewirtschaftet wird. Ein eigens dafür gegründeter Verein setzt sich für die Erhaltung des rund 900 Quadratmeter großen Rebgrundstückes ein und bringt durch Handarbeit und eine ohne Dünger und Schädlingsbekämpfungsmittel auskommende Behandlung Jahr für Jahr ausgezeichnete Weine hervor, die zu repräsentativen Gelegenheiten vom Ort ausgeschenkt werden.

Der Ort profitiert jedoch nicht nur vom Weinbau alleine. Auch die Tourismusregion rund um das nur 10 Minuten mit dem Auto entfernte Würzburg führt jährlich viele Besucher nach Randersacker. Gäste von auswärts nutzen die Gastronomie des Ortes, die einen Bogen spannt von Heckenwirtschaften wie „Steigerwald´s Schoppenstüble“ über fränkische Weinstuben wie das „Weinhaus Am Marsberg“ bis zur gehobenen Küche in Restaurants wie dem „Gasthof Bären“. Dazu passend gibt es für jede Preisklasse in Randersacker Übernachtungsmöglichkeiten, die von einfachen Pensionen über Ferienwohnungen bis Hotels reichen. „Es wird einerseits die „bodenständige“ Kundschaft bedient, die es schätzt, dass ´einfache´ Gerichte zu einem Geschmackserlebnis werden. Die Gourmetgäste mit gehobeneren Ansprüchen kommen in Randersacker auch auf ihre Kosten. Abgerundet wird es von der Generation der jüngeren Winzer, die „Jung-Wein-Macher“ sprächen mit neuen Ideen auch ein jüngeres Publikum an, meint Christiane Lörner.

Beliebt bei den Gästen Randersackers sind auch die Sehenswürdigkeiten, die der Weinort zu bieten hat. Der zentral in der Ortsmitte liegende Gartenpavillon wurde um 1750 von Balthasar Neumann aus Randersackerer Muschelkalk erbaut. Zu Lebzeiten wohnte und feierte der Baumeister darin; heutzutage werden im Pavillon Hochzeiten und Weinproben abgehalten. Ebenfalls aus Muschelkalk erbaut ist der Sonnenstuhlturm, im Volksmund auch „Kartoffelturm“ genannt. Einst zu Ehren Adolf Hitlers errichtet gewährt er heute als einer von 17 „magischen Orten“ in Franken einen Ausblick über Randersacker und das westliche Maindreieck. Von nicht geringerer historischer Relevanz ist der Zehnthof in der Mitte des Ortes. Seit dem 14. Jahrhundert wurden dort vom Fürstbischof Würzburgs die Steuern in Form des Zehnten eingetrieben. 1921 wurde im Zehnthof die Winzergenossenschaft Randersackers gegründet.

Ob man nun Winzer ist oder einem anderen Beruf nachgeht – am Wein kommt man in Randersacker nicht vorbei. Beim „Weinfrühling“ bekommen Weinkenner und -liebhaber die Chance, zwei Tage lang an einem Märzwochenende den neuen Weinjahrgang des Ortes zu verkosten. Höhepunkt ist der Gala-Abend, bei dem die Teilnehmer eine moderierte Weinprobe mit Fünf-Gänge-Menü erleben. Die Popularität der Veranstaltung ist daran zu sehen, dass die Tourist-Info Randersacker dazu rät, die Karten am besten schon vor Weihnachten vorzubestellen.  

Weit über die Grenzen Randersackers hinaus bekannt ist die jährlich an Christi Himmelfahrt stattfindende „Weinbergswanderung“. Das 1983 ins Leben gerufene Ereignis bietet die Möglichkeit, auf einer vorgegebenen Route durch eine Weinbergslage des Ortes an verschiedenen Ständen die Weine der Winzer zu verkosten. Studenten, Familien, Rentner – an diesem Donnerstag im Frühling tummeln sich tausende Besucher auf den Weinbergswegen Randersackers. Mit dem „Uferweinfest“ geht der Weinort einen neuen, unüblichen Weg, Weinfeste zu feiern. Vier Jungwinzer des Ortes veranstalten dieses Weinfest stets Anfang Juli, wobei mit Lounge-Musik, lockerer Bestuhlung und Fingerfood vor allem junge Leute angesprochen werden sollen. Bei dem jährlichen „Weinfestival“ arbeiten alle Weinbaubetriebe des Ortes wieder zusammen. Ein Wochenende im Sommer lang feiert der Ort gemeinsam im Rathaushof. Hinzu kommen noch die Hofschoppenfeste der einzelnen Weinbaubetreibe, sodass es so gut wie kein Wochenende im Sommer gibt, an dem in Randersacker nicht gefeiert wird. „Diese ‚Events‘ machen den Ort nicht nur für Gäste, sondern auch für Ortsansässige attraktiver“, meint Gästeführerin Lörner.  „Unter anderem werden durch diese ‚Aktionen‘ auch (Tages-)-Gäste angelockt, die wiederum Geld in Lebensmittelgeschäften, Gastronomie, Winzerbetrieben, Apotheken und anderswo ausgeben.“

Als mit Klara Zehnder im März 2018 die Fränkische Weinkönigin nach 26 Jahren (endlich) wieder aus Randersacker kam, fanden sich nahezu alle Bürger des Ortes im Rathaushof ein, um die Weinhoheit gebührend zu empfangen. Klara Zehnder wurde ein halbes Jahr später zusätzlich zur deutschen Weinprinzessin gekrönt und der ganze Ort – ob Winzer oder nicht – war stolz auf seine deutschlandweit bekannte Tochter.

Neben Würzburg war Goethe auf seinen Reisen in Franken auch in Kitzingen, Schweinfurt, Nürnberg und Coburg unterwegs. Ob er jemals in Randersacker war, ist nicht überliefert. Wohlgefühlt hätte er sich in dem Ort, da ist sich Christiane Lörner sicher: „Es hätte den Herren hier gefallen, da die Orte in den Main-Auen umringt von Weinbergen immer schön waren und auch heute noch sind. Weitere historische Persönlichkeiten haben durchaus Gefallen an Randersacker gefunden, beispielsweise Balthasar-Neumann, der seinen Gartenpavillon hier errichtet hat. Die Metallringe an einigen Gebäuden bezeugen, dass Würzburg früher mit den Pferdegespannen nur eine Tagesetappe entfernt war, es lud zu damaligen Zeiten schon zum Genießen, Schöppeln und Verweilen.“

Lisa Schmachtenberger, Q 12