Fasching – Brauchtum in moderner Fassung

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des P-Seminars Deutsch „Journalistische Darstellungsformen“ und wurde als Artikel zur Veröffentlichung in der FAZ eingesandt:

Ausgefallene Kostüme, die prächtig ausgeschmückten Faschingswagen, von denen an Faschingsumzügen Süßigkeiten an Groß und Klein verteilt werden – Fasching ist über die Jahrhunderte zu einem festen Bestandteil des fränkischen Jahresablaufs geworden. Die meisten von ihnen kennen die fünfte Jahreszeit von Kindesbeinen an, als sie mit ihren Großeltern den ersten Faschingszug besuchten. Als Ursprung des heutigen Faschings gelten heidnische Fruchtbarkeitsfeste. Man verkleidete sich und trug schaurige Masken, um mit Krach und Getöse den Winter zu vertreiben. Einige dieser Bräuche wurden im Mittelalter von der christlichen Bevölkerung übernommen. Kalendarisch liegt Fasching direkt vor der christlichen Fastenzeit, in der die Menschen auf Fleisch und Alkohol verzichteten. Nun bekam Fasching eine neue Bedeutung. Der ursprünglich germanische Brauch wurde mit den christlichen Traditionen vermischt und sollte nun die Fastenzeit einläuten. Die Bevölkerung feierte damit den Abschied von Fleisch und Alkohol. Darauf lässt sich auch das Wort Fasching zurückführen, das sich vom mittelhochdeutschen Wort „Vaschancg“ herleitet und ursprünglich „Ausschenken des Fastentrankes“ bedeutet. Mit Religion hat das bunte Treiben heute nicht mehr viel zu tun. Lediglich Hexen- und Teufelsmasken erinnern an die historische Entwicklung des Fasching. Besonders auffallend an diesen Kostümen sind die schaurig-schönen Masken, die zu gruseligen Fratzen verzogen sind und die Zuschauer erschrecken.

In Franken sind die bekanntesten Hexen unter ihnen die Allersberger Flecklashexen. Sie können auf eine lange und ereignisreiche Vergangenheit zurückblicken. In Reaktion auf die Verurteilungen der Kirche, die den Fasching als gottlos betrachtete, symbolisierten die Hexen im 15. Jahrhundert den Protest gegen klerikale Vorschriften. Im Folgenden konnte man die Hexen vor allem bei Umzügen bestaunen. Doch mit der Gründung des Allersberger Faschingskomitees 2009 änderten sich ihre Aufgaben. Man wollte nicht länger nur Dekoration sein, beschloss erste eigene Tänze mit den Hexen einzustudieren und damit in der Öffentlichkeit aufzutreten. In Franken, erklärt die gebürtige Erlabrunnerin Ines Procter, selbst seit vielen Jahren im Fasching aktiv, hätten sie eine besondere Stellung inne; durch die Gesamtkostümierung besäßen sie die Möglichkeit ihren Schabernack zu treiben, wo so manch anderem Künstler die Hände oder gar der Mund „gebunden“ seien. Der Faschingsverein Allersberg im fränkischen Seenland erreichte große Bekanntheit durch die Teilnahme an der Sendung „Fastnacht in Franken“ des Bayerischen Rundfunks, wo sie vor allem durch ihre bunten Kostüme die Aufmerksamkeit der Zuschauer erregten. Diese sind historisch nachgefertigt und bestehen aus einer handgeschnitzten Hexenmaske und einem Kostüm, das überwiegend aus kleinen quadratischen Stofffetzen gemacht ist. Die Originale sind leider nicht mehr erhalten, da sie in der Zeit des Zweiten Weltkriegs verloren gingen. Umso wichtiger war es für die Allersberger, eine historisch korrekte Kopie der alten Kostüme anzufertigen. Vor vier Jahren durften sie zum ersten Mal einen ihrer Tänze live vor einem Millionenpublikum aufführen, was ihren Bekanntheitsgrad in Bayern enorm steigerte. 2021 nehmen sie zum 29. Mal an der Kultsendung Fastnacht in Franken teil. Eine Fastnacht ohne Flecklashexen, die durch das Bild huschen und Akteure hinein- und hinausbegleiten, ist kaum mehr vorstellbar. Allein im letzten Jahr haben 3,81 Millionen Menschen die Sendung durch das Fernsehen verfolgt.

Seit 1988 werden die Mainfrankensäle der Gemeinde Veitshöchheim im Landkreis Würzburg als Veranstaltungsort genutzt. Die 220 Sitzplätze des Saals reichen nicht annähernd, um die Nachfrage nach Karten zu stillen, die im Schnitt bei 10 000 Anfragen liegt. Die Popularität der Sendung ist so groß, dass fränkische und bayerische Politiker diese Sendung nutzen, um die eigene Popularität zu steigern. Aber auch „Fastnacht in Franken“ profitiert von der Aufmerksamkeit, die ihr durch die Politik zukommt. Wie auch immer: Die Politiker sind ein fester Bestandteil der Sendung geworden.

Doch was auf der Bühne so reibungslos funktioniert und mühelos aussieht, ist harte Arbeit. Das Motto lautet „vor der Saison ist nach der Saison“, denn die Akteure arbeiten an der Rede und perfektionieren ihre Tänze über das ganze Jahr hinweg. Um aktuelle Themen aufgreifen zu können und der Rede Spritzigkeit verleihen zu können, ist es oft notwendig in letzter Minute Änderungen vorzunehmen, bevor es auf die Bühne geht. Auch die Tänze sind eine sportliche Höchstleistung; denn was auf der Bühne elegant und anmutig aussieht, bedarf monatelangen Trainings. Jede Hebefigur, jeder Spagat muss perfekt sitzen. Deshalb trainieren die Tänzer mehrmals die Woche das ganze Jahr über. Und Höchstleistungen erbringen müssen sie nicht nur an Fasching; sie treten auch außerhalb der fünften Jahreszeit in Tanzturnieren gegeneinander an. Die Deutschen Meisterschaften im karnevalistischen Tanzsport zu gewinnen, ist die höchste Auszeichnung, die eine Tanzgruppe erreichen kann. Hierbei wird zwischen Altersklassen, Marsch- und Schautanz unterschieden.

Doch auch so mancher Redner kommt ins Schwitzen, wenn er vor einem Millionenpublikum performt. Seine Leistung auf der Bühne in Veitshöchheim beeinflusst die weitere Karriere stark. Die Rednerin Ines Procter tritt seit 2015 jährlich als „Putzfraa“ in der Sendung auf. Die Gefühle, die sie vor und während ihres ersten Auftritts empfunden hat, schildert die 47-jährige Fastnachtsakteurin per Email als „aufregend, spannend, einschüchternd, auch bedrückend und selbstzweiflerisch vor dem Auftritt, aber unsagbar glücklich, stolz und ein Stück weit Erhaben nach der Show“. Inzwischen ist Ines Procter ein fester Bestandteil der Kultsendung. Auf der Bühne performt sie die von ihr selbst geschriebenen Reden mit ihrer frechen Art und einer Leichtigkeit, die das Publikum in Staunen versetzen. „Die Kunst besteht darin es leicht aussehen zu lassen. Tatsächlich ist enorm viel Arbeit damit verbunden. Die Herausforderung ist in jedem Fall, dass Kreativität nicht abrufbereit ist und man manchmal einen langen Atem braucht, bis einem etwas wirklich Gutes einfällt“, erklärt die Rednerin. Vollends perfektioniert sei die Rede erst nach mehrmaligen Auftritten vor Publikum, da man dann merke, was gut ankommt und was eventuell aus der Rede gestrichen werden könne.

Die Fränkin hat sich 2020 als Stand-up-Comedian selbstständig gemacht und möchte, soweit möglich, 2021 auf Tour gehen. Auf die Frage, ob der Erfolg der Fastnachtsendung dazu beigetragen habe, dass ihre Leidenschaft zum Beruf geworden sei, erklärt sie: „Der Erfolg hat dazu beigetragen, dass ich das nötige Selbstbewusstsein ob meiner Arbeit erlangte. Die Hürde aber, dann ein komplettes eigenes Programm darzubieten und somit auch unabhängig von der Fastnacht arbeiten zu können, war noch einmal eine neue Herausforderung, die einige Bedenkzeit und schlaflose Nächte mit sich brachte.“ Durch ihre regelmäßigen Auftritte in „Fastnacht in Franken“ und anderen Fastnachtsformaten des BR sei eine breitere Öffentlichkeit auf sie aufmerksam geworden, sodass bereits nach den ersten Auftritten viele Anfragen die Rednerin erreichen. Ines Procter hat 2020 diesen Schritt gewagt, wenn sie auch von der Corona-Krise „komplett ausgebremst“ wurde. Doch sie habe sich nicht unterkriegen lassen und neue Wege für ihre Solokarriere während der Pandemie gefunden, wie zum Beispiel ihren eigenen YouTube-Kanal.

Auch „Fastnacht in Franken“ hat eine Alternative zur Live-Sendung gefunden. Die Show findet dieses Jahr ohne Publikum statt. Die Darbietungen der einzelnen Akteure werden vorher aufgezeichnet, sodass man ein Live-Format umgehen kann. Für die Redner ist es zwar eine Herausforderung, ohne Publikum zu agieren, andererseits kann es aber auch einfacher sein, wenn er oder sie sich nur auf die Kamera konzentrieren muss. Für Ines Procter ist der Erfolg der Fastnachtssendung in diesem Jahr gewiss. Gerade in dieser Zeit seien viele Zuschauer dankbar für etwas Ablenkung und ein Programm, das sie ihre Sorgen, Ängste und Nöte vergessen lasse. Es erwecke fast den Anschein von Normalität, wenn „Fastnacht in Franken“ wie gewohnt im Fernsehen laufe. Und das Wichtigste sei, – so Ines Procter – dass wir in dieser Zeit unseren Humor nicht verlieren.

Johanna Klüpfel, Q 12
(P-Seminar: Journalistische Darstellungsformen)