Neues (und ganz neues) Bauen in Stuttgart
Am 30. Januar fuhren wir Schüler aus den zwei Kunstkursen von Herr Grüger, mit diesem und mit Frau Baier nach Stuttgart. Dort wollten wir
- die Weißenhofsiedlung, eine Bauausstellung zum Thema Neues Bauen, die Ende der 20er Jahre des 20 Jahrhunderts errichtet wurde,
- die Kochenhofsiedlung, der Gegenentwurf der Nationalsozialisten zur Weißenhofsiedlung mit dem Thema „Deutsches Holz“, und
- die Stadtbibliothek am Mailänderplatz besuchen.
Die Führung durch die Weißenhofsiedlung und die nahe gelegene Kochenhofsiedlung war ein wahres Kontrastprogramm. Erstaunlich war, wie modern einige Häuser wirkten. Bei einem Haus mit mehreren Mietswohnungen rätselte ich mit einer Mitschülerin ernsthaft, ob dieses Haus neu war, bis wir das Schild fanden, das auf den Architekten Mies van der Rohe hinwies, den Direktor der Bauausstellung. Es war mit dem Flachdach, den großzügigen Fenstern und dem schlichten Design der Außenfassade nicht vom Haus, das auf der Baustelle gegenüber entstand, zu unterscheiden. Dass man damals, Ende der 1920er Jahre, für unser Empfinden schon so modern baute, war beeindruckend.
In der Kochenhofsiedlung standen leider nur noch wenige originalgetreue Häuser. Viele sind im Laufe der Zeit mit Putz überbaut worden, sodass von den ursprünglichen, bunten Holzhäusern nicht mehr viel übrig war. Eine sehr schöne Ausnahme war ein Haus, das erst vor kurzem originalgetreu restauriert worden war. Es sah ganz anders aus als die Häuser der Weißenhofsiedlung, war aber nichts desto trotz schön. Die Kochenhofsiedlung war eindeutig nicht so modern gedacht, ganz im Bild der nationalsozialistischen Ideologie der traditionellen deutschen Familie, aber auf ihre Weise nicht weniger modern als die Weißenhofsiedlung. Dass sich seit fast hundert Jahren nicht wirklich etwas an unserem Verständnis eines schönen (oder) modernen Hauses geändert hat, hat mich wirklich amüsiert und zum Nachdenken angeregt.
Der anschließende Besuch der Stadtbücherei sorgte im Nachhinein für eine geteilte Meinung in der Gruppe. Das würfelförmige Gebäude, 2011 fertiggestellt, war sehr klar und reduziert aufgebaut. Der Bau, der vom Architekten bis in das letzte Regal durchdacht und entworfen war, beeindruckte mit monumentalen Statements wie einem viele Meter hohen, leeren, würfelförmigen Raum in der Mitte, dessen einziger Einrichtungsgegenstand eine kleine, fast geräuschlose Quelle im Boden war. (Da der Aufzug nicht alle Schülerinnen fassen konnte, mussten wir das 40 Meter hohe Gebäude auf Treppen erklimmen. Dieses Erlebnis war auf eine andere Art beeindruckend und ich empfehle jedem Besucher, der nicht die Architektur dort bewundern möchte, den Aufzug zu verwenden). Interessant war, dass man dort für eine Versicherungsgebühr von 2,50€ Gemälde für drei Monate ausleihen kann- ein wirklich tolles Konzept, das ich mir auch in Würzburg wünschen würde.
Unsere Exkursion nach Stuttgart war für mich ein interessantes Erlebnis, bei dem ich viele neue Anregungen nach Hause mitgenommen habe. Ich habe einige Eindrücke mitgenommen, die die alltägliche Architektur in Würzburg kontrastieren, auf ganz unterschiedliche Weise. Auch wenn nicht alle Erfahrungen schön waren, war es ein lehrreicher Tag, an dessen Ende ich nach einer langen Zugfahrt zurück nach Würzburg (40 Minuten Verspätung auf der Strecke, zum Glück eine seltene Ausnahme bei der Bahn) um einige wirklich ansprechende Erfahrungen reicher ins Bett gehen konnte.
Mona Leisten, Q12