Freitag, 9. November 2018, 12:30 Uhr. Die Schülerinnen der 9. und 10. Jahrgangsstufe der St.-Ursula-Schule füllen alle Sitzplätze der Marienkapelle, weitere Schülerinnen stehen. Immer wieder kommen Passanten in die Kirche, um während eines Gebetes eine Kerze zu entzünden, interessiert bleiben viele von ihnen stehen.
Die spätgotische Nebenkirche der Pfarreien Dom und Neumünster auf der Nordseite des Würzburger Marktplatzes ist ein berührender Ort für die Erinnerung. 1378 ließ sie der Würzburger Bischof Gebhard von Schwarzenburg errichten.
Im Mittelalter stand an ihrer Stelle die Synagoge der jüdischen Gemeinde. Bereits um 1100 hatten sich Juden in Würzburg niedergelassen, die vermutlich aus rheinischen Städten wegen dortiger Massaker geflohen waren. 1147 vernichtete ein Pogrom die in Würzburg siedelnden Juden. Im 13. Jahrhundert stand dann die mittelalterliche jüdische Gemeinde Würzburgs in voller Blüte. Zahlreiche Familien lebten in der Gegend der heutigen Schustergasse, des Schmalzmarktes und des Oberen Marktes. 1349 wurden die Juden Würzburgs erneut grausam ermordet, die Reste des Judenviertels im 15. Jahrhundert eingeebnet und der Marktplatz angelegt. Noch heute befindet sich unterhalb der Sakristei der Marienkapelle die Mikwe, das jüdische Ritualbad, als Überbleibsel der ehemaligen Synagoge.
All das erinnerten nach der Eröffnung der Gedenkstunde durch Pfarrer Dr. Matthias Leineweber Schülerinnen aus der 10. Jahrgangsstufe, indem sie Texte vortrugen, in denen unter anderem Augenzeugen der Deportation oder des Lebens in Konzentrationslagern zu Wort kamen.
Dazwischen sang der Oberstufenchor der St.-Ursula-Schule unter der Leitung von Musiklehrerin Dr. Claudia Breitfeld begleitet von Bläsern und Streichern jüdische Lieder, die eine Klage über das unermessliche Leid intonierten, anderseits aber auch heitere Seiten jüdischer Musik durchscheinen ließen. Szenisch gelesene Texte des Chores steigerten die Eindringlichkeit mahnender Inhalte.
Allen Besuchern der Veranstaltung gaben die Schülerinnen folgende Worte mit auf den Weg, die Papst Johannes Paul II. beim großen internationalen Friedensgebetstag am 27. Oktober 1986, bei dem erstmals Vertreter aller großen Weltreligionen versammelt waren, gesprochen hat:
„Ja, Jesus Christus ist unser Friede und er muss uns immer vor Augen stehen. Er ist der Gekreuzigte und Auferstandene, er hat seine Jünger mit einem Gruß empfangen, der unser christlicher Gruß geworden ist: ‚Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite‘ (Joh 20,19-20). Wir dürfen diese wichtige Geste des auferstandenen Christus nicht vergessen. Sie weist uns den Weg, wie wir Friedensstifter sein können. […]“
H. Retsch