Versöhnung durch Erinnerung

16. März 2022, 11:15 Uhr: Rund 30 Schülerinnen aus zwei Klassen der 10. Jahrgangsstufe des Gymnasiums erwarten am DenkOrt Deportationen die Würzburger Bürgerinnen und Bürger, die in diesem Jahr den Versöhnungsweg gehen, um 77 Jahre nach der Zerstörung der Stadt Würzburg gegen Ende des Zweiten Weltkrieges an das unfassbare Leid zu erinnern, das die Ideologie der Nationalsozialisten insbesondere über die jüdischen Menschen aber auch insgesamt über die Menschen in weiten Teilen der Welt gebracht hat.

Versöhnung durch Erinnerung ist die Intention, die die Schülerinnen still, aber eindringlich den am DenkOrt Deportationen Versammelten vermitteln.

Während an den Gepäckstücken aus Stein, Holz oder Metall einzelne Schülerinnen stehen, verlesen zwei Schülerinnen abwechselnd Texte. Sie erinnern an die acht Deportationen, im Rahmen derer die Nationalsozialisten von November 1941 bis Januar 1944 insgesamt 2.096 Männer, Frauen und Kinder aus ganz Mainfranken von Würzburg in die Vernichtungslager Riga – Jungfernhof, Izbica, Kraniczyn, Theresienstadt und Auschwitz-Birkenau transportieren ließen: Nur 60 von ihnen überlebten diesen Aufenthalt.

Die deportierten Menschen waren Männer, Frauen und Kinder jüdischer Religion, die als Nachbarn, Schulfreunde, Sportkameraden, Arbeitskollegen, Studienfreunde, Hausärzte oder Freunde in Mainfranken gelebt hatten.

David Schuster, der erste Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde in Würzburg nach dem Krieg, formulierte rückblickend: „Sowie durch die Bombennacht des 16. März 1945 große Teile des historischen Stadtbildes von Würzburg unwiederbringlich vernichtet wurde, wurde durch die Vertreibung und Ermordung ihrer jüdischen Mitbürger das demographische Bild der Stadt entstellt.“

Eine Schülerin trägt folgende Zeilen aus einem Gedicht des in Würzburg 1924 geborenen Dichters Jehuda Amichai vor:

Und ein Koffer ist da, der zurückkommt und wieder verschwindet
Und wiederkehrt, langsam, langsam, in die sich leerende Halle.
Und wieder und wieder zieht er vorbei
So erinnere ich mich an dich, bis
das Band anhält. Und steht still – Sela.

Jehuda Amichai

Während diese Verszeilen in den Gedanken der Anwesenden nachklingen, kehren die Schülerinnen in einem langen Zug auf die erhöht gelegene Wiese hinter dem DenkOrt zurück. Abschließend dankt ihnen Oberbürgermeister Christian Schuchardt für ihre tief berührende szenische Darstellung der Deportation.

Vorbereitet worden war der Gedenkbeitrag im Sozialkundeunterricht von Dr. Daniela Frees und Harald Retsch durch die Mitglieder des Vereins DenkOrt Deportationen e. V., Hannelore Hübner und Michael Stolz.

Harald Retsch